Wie schnell die Zeit vergeht! Der Juli ist genauso schnellvergangen wie der letzte Schnee unter der sengenden Mitternachtssonne geschmolzen ist und ich war mit so vielen Dingen beschäftigt, dass kaum Zeit blieb für Gipfeltouren. Wir starteten einen Versuch auf den Ravntinden, den zweithöchsten Gipfel der Kommune Sør-Varanger in der Finnmark in Norwegen, aber plötzlich hereinziehende tiefliegende Wolken vereitelten das Gipfelglück.

Jetzt ist es Anfang August und wirklich an der Zeit, wieder einmal aus dem Hamsterrad rauszukommen und die Batterien in der Natur aufzutanken. Alle Sachen sind gepackt und wir machen uns auf eine lange Fahrt von Kirkenes zum Ausgangspunkt dieser Tour, welche von einem Parkplatz aus startet, der etwa drei Kilometer von der Levajok Fjellstue entfernt liegt (eine „fjellstue“ ist ein einfaches Berghotel).

Ich reise langsam und gehöre zu den Personen, die lieber eine Stunde zu früh am Flughafen einchecken und dann gemütlich eine Tasse Kaffee vor dem Abflug trinken, als unter Zeitdruck und gestresst zum Flughafen zu hetzen. So beginnen wir auch diese Wanderung mit einer Tasse Kaffee und während der Multifunktionsbrenner furchteinflößend faucht und uns der aromatische Duft frisch gebrühten Kaffees in die Nase steigt, ist Zeit genug um „anzukommen“, einige Umpackaktionen an den Rucksäcken vorzunehmen und unsere Hunde Koss und Taiga zu versorgen.

Selten ist es so einfach den Weg zu finden wie auf dieser Tour, denn vom Parkplatz aus gibt es nur einen Weg der auf den Gipfel führt und dieser ist breit und gut markiert. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum der alte Wegweiser nicht ersetzt wurde. Versteckt und vergessen liegt er am Fuße einer Birke. Endlich geht es los und obwohl es ein warmer Sommertag ist, hängen regenschwangere Wolken am Himmel, deren Inhalt sanft auf uns niederrieselt. Auch sind wir nicht die Einzigen, die sich auf den Weg machen, denn es ist Wochenende. Ein Schwarm schwarzer stechwütiger Mücken startet zeitgleich mit uns und bewegt sich auch im gleichen Tempo voran. Keine Chance ihnen davonzulaufen.

Auf den ersten Kilometern folgt der Weg dem orographisch linken Ufer des Levajohk und dann des Dárjohka bevor man ans andere Ufer wechselt.  

Es geht stetig bergauf, der Weg wird zusehends steiniger, langsam verziehen sich die Regenwolken und es wird windiger. Das vertreibt zwar die Mücken, aber zum Teekochen während einer Rast muss ich für den Kocher einen guten Windschutz bauen.

Nach der Pause geht es weiter bergauf und nach insgesamt achthundert Höhenmetern Anstieg sind wir müde, hungrig und froh, endlich das Zelt aufschlagen zu können. Taiga und Koss haben jedenfalls keine Probleme mit dem Einschlafen. Sie stört der laute Wind der am Zelt rüttelt nicht. Ich hingegen wälze mich lange hin und her bis ich endlich einschlafen kann. Und kaum bin ich eingeschlafen, weckt Taiga mich wieder auf, weil sie zum pinkeln raus muss. Aber das macht nichts, denn draußen ist eine magische Stimmung, die man leider nicht wirklich auf den Bildern einfangen kann.

Irgendwann in den frühen Morgenstunden lässt der Wind nach und ich kann ruhig schlafen. Eine dicke weiße Watteschicht verdeckt den Blick auf die Gipfel als wir in den frühen Morgenstunden aufwachen. Es ist immer noch windstill und unsere Mückeneskorte hat uns wieder eingeholt. Sie scheinen die mit uns verlorene Zeit wett machen zu wollen und sind nun umso stechfreudiger. Beim Frühstück hoffen wir, dass sich sowohl die Mücken als auch die Wolken verziehen, aber keiner will uns diesen Gefallen tun. Eine Gipfelbesteigung im Nebel bei null Sicht ist auch auf einem breiten und gut markierten Weg keine Option für uns. Schweren Herzens machen wir uns auf den Rückweg.

Je weiter wir bergab gehen, desto wärmer wird es und schließlich ist es mit über 20°C für uns wirklich unangenehm warm. Ein erfrischendes Bad in dem kalten Bergsee auf dem Rückweg ist schafft Abkühlung. Anschließend lasse ich mich von der Sonne trocknen und schaue den Wolken nach. Seltsamerweise werde ich dabei nicht von irgendwelchen Stechmonstern belästigt. Wahrscheinlich haben sie inzwischen ein anderes Opfer gefunden.

Müde aber glücklich sind wir am späten Nachmittag wieder zurück am Parkplatz. Auch diesmal war uns das Gipfelglück nicht vergönnt, aber das macht nichts. Es ist wichtiger, unterwegs zu sein und eine gute Zeit zu haben, als nur einen kurzen Augenblick des Glücks zu geniessen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert