Genau vor einem Jahr bin ich übers Wochenende zur Varanger-Halbinsel gefahren, weil ich die Landschaft zu Beginn des Winters fotographisch festhalten wollte. Aber vor allem wollte ich so spät im Jahr die Gelegenheit nutzen, nochmal nach Hamningberg zu fahren, bevor die Straße im Winter für den Verkehr gesperrt wird. Auf diesem Abschnitt ist die Landschaft besonders rau und wild und eignet sich ganz besonders als Fotomotiv in stürmischem Wetter. Und für eine schlaflose Nacht hat der Sturm nur zu genüge gesorgt. Der Wind war so stark, dass ich das Dachzelt nicht aufklappen konnte und in der Fahrerkabine schlafen musste. Zudem hat der Wind so lautstark geheult und vehement an meinem Auto gerüttelt, dass ich den Eindruck hatte, ich habe zwischen zwei Eisenbahnschienen geparkt und endlose Güterzüge fahren die ganze Nacht lang mit hoher Geschwindigkeit an mir vorbei.

Am nächsten Morgen hat sich der Wind etwas beruhigt und ich fahre ganz bis ans Ende der Straße nach Hamningberg. Im Sommer ist die enge, teils einspurige Straße ziemlich stark befahren. Parkplätze an den schönsten Abschnitten sind rar und man hat kaum Möglichkeiten zum Anhalten und Fotografieren. Doch so spät im Jahr ist hier keiner mehr unterwegs. Nur ein einziges Auto ist auf der ganzen Strecke am Straßenrand geparkt, ein paar hartgesottene Surfer vergnügen sich weit draußen in den Wellen. Die See ist nach dem Sturm der letzten Nacht immer noch aufgewühlt.

Ich habe die Freiheit, einfach mitten auf der Straße zu halten, wenn ich irgendwo ein schönes Fotomotiv sehe. Und davon gibt es jede Menge.

Als ich in Hamningberg ankomme, kommt sogar die Sonne etwas raus. Der Ort ist verlassen, die Sommergäste sind abgereist. Und obwohl es erst Mittag ist, steht die Sonne schon wieder tief am Horizont und taucht die Landschaft in sanfte Farben. Ich muss mich beeilen, denn viel Zeit zum Fotografieren bleibt mir für heute nicht mehr.

Ein Wochenende ist immer viel zu kurz und so muss ich mich am nächsten Tag schon wieder auf den Rückweg nach Kirkenes machen. Schade, denn ich könnte noch viel mehr Zeit hier verbringen. Die Stimmung in dieser rauen Landschaft so kurz vor der Polarnacht ist schwer in Worte zu fassen. Obwohl das Wetter stürmisch war, fühle ich doch eine tiefe Ruhe und Frieden in mir.

Ich fahre wieder zurück Richtung Vardø. Unterwegs treffe ich einen Fuchs, aber er ist zu schnell (oder ich zu langsam), um ein scharfes Bild von ihm zu bekommen. Die Rentiere, welche ich kurz darauf neben der Strasse sehe, sind da schon geduldigere Fotomotive.

Heute ist die See ruhig, aber bereits um zwei Uhr nachmittags geht die Sonne wieder unter.

Während der zwölf Jahre, welche ich in Kirkenes gelebt habe, war ich oft auf der Varanger-Halbinsel. Aber keine meiner Touren war so eindrucksvoll wie diese Tour letztes Jahr Anfang November. Lag es an der Jahreszeit? Lag es an der Stimmung oder der Einsamkeit? Wahrscheinlich lag es an einer Mischung aus allem. Diesen Roadtrip werde ich jedenfalls ganz besonders in Erinnerung halten.

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