Dampfender Morgennebel liegt über der Bucht, tief hängen die graphitfarbenen Regenwolken am Himmel, die Birkenblätter sind zitronengelb und frech schieben die Steinpilze und Birkenrotkappen ihre Hüte aus der Erde. Der Herbst ist vor meiner Haustür angekommen und siegessicher galoppiert auch Bronchitis auf ihrem braunen Pferd daher und streckt mich nieder.
Während ich seit Tagen im Bett liege und mit diversen Hustensäften, Nasenspray, Wärmflasche und Tee versuche, wieder auf die Beine zu kommen, habe ich meine Dateien auf dem Computer durchforstet und bin auf die Urlaubsbilder aus Grönland gestoßen. Grönland war eines der Länder, die mich bisher am meisten fasziniert haben. Ich mag die nördlichen Länder nicht nur wegen ihres kalten Klimas, welches ich besser vertrage als tropische Wärme, sondern auch wegen ihrer oft offenen, weiten und dennoch bergigen Landschaften. Und gleich in den ersten Tagen meines Aufenthalts in Grönland bekam ich eine solche Landschaft auf meinen Ausflügen rund um Kangerlussuaq zu sehen.
Auf einem Erkundungsspaziergang durch Kangerlussuaq komme ich an einem Haus vorbei, vor dem Gemüsebeete angelegt sind. Ich bin so fasziniert davon, dass jemand in dieser kargen Gegend versucht etwas anzubauen, dass ich den auf dem Dach zum Trocknen ausgelegten Kopf eines Moschusochsen erst bemerke, nachdem ich nach dem Urlaub die Bilder auf den Computer heruntergeladen hatte.
Lebendige Moschusochsen bekam ich während meines Aufenthaltes in Grönland leider nicht zu sehen, aber in einem Souvenirgeschäft war das Fell eines Tieres ausgelegt und ich konnte nicht anders als mit meinen Fingern durch die Wolle zu fahren. Sie fühlt sich sanft und weich an und das Fell ist so dicht, dass ich mir gut vorstellen kann, dass man in einem Schlafsack aus Moschusochsenfell im arktischen Winter draußen schlafen kann ohne zu frieren. Wie viel ein komplettes Fell kosten würde, traute ich mich jedoch nicht zu fragen, denn ein fünfzig Gramm Wollknäuel Moschusochsenwolle kostete bereits fünfzig Euro.
Zwar ist mir der Moschusochsenkopf in Kangerlussuaq auf den ersten Blick entgangen, aber das in Sissimiut auf einem Balkon aufgehängte Fell eines Eisbären war dann doch nicht zu übersehen. Und auch an vielen anderen Häusern waren oft Fleisch, Fisch oder Felle zum Trocknen aufgehängt. Dass das Jagen und Fischen hier in Grönland eine weitaus größere Rolle spielt als in Europa konnte man überall deutlich sehen.
Nach ein paar Tagen in Kangerlussuaq bin ich mit einem kleinen Propellerflugzeug nach Sissimiut geflogen. Und hier traf ich endlich auf den ersten Schlittenhund. Er lag mitten in der Stadt in einer Mulde mit trübem Wasser und versuchte sich abzukühlen. Ansonsten sind die vielen Schlittenhunde außerhalb der Stadt zu finden. Es sind kräftige und robuste Tiere, die das ganze Jahr über draussen leben, meist ohne Hundehütte. Die Welpen dürfen bis zu einem Alter von sechs Monaten frei herumlaufen und oft sprangen mir die kleinen Racker auf meinen Touren entgegen. Keines der Tiere zeigte dabei irgendwelche Aggressionen oder Scheu, sondern alle waren neugierig und genoßen es, gestreichelt zu werden.
Im alten Stadtkern von Sissimiut liegt nicht nur das Museum der Stadt, sondern dort sind auch einige alte Gebäude aus der Kolonialzeit zu sehen. Außerdem gibt es in der Museumsanlage einen Souvenirladen, welcher unter anderem auch Schnitzereien aus Walroßzähnen verkauft. In einem Nebenraum befindet sich ein gemütliches Café. Ich sass dort bei einer Tasse Tee und hatte mich in ein älteres Buch über Hundeschlittenfahren in Grönland vertieft, als eine Gruppe amerikanischer Touristen hereinkam.
Tourist: „Ist das Schmuckstück hier aus BPA-freien Plastik gefertigt?“
Verkäuferin: „Nein, das ist aus Walroßzähnen geschnitzt!“
Tourist: „Sie haben also nichts aus BPA-freiem Plastik hier?“
Sissimiut und Umgebung
Obwohl ich normalerweise wenig Sinn für Kunst habe, bleibt mein Auge hier in Grönland immer wieder an Bildern, Gemälden, Schnitzereien oder Graffitis hängen, denn in allen kommen die alten Traditionen der Inuit zum Ausdruck.
Von Sissimiut aus ging es mit dem Schiff nach Ilulissat und als ich den ersten Eisberg sah, war meine Begeisterung groß. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Eisberg gesehen und somit war ich auch nicht enttäuscht, dass ich eher ein kleines Eishügelchen als einen großen Berg zu sehen bekam.
Ilulissat ist etwas kleiner und viel ruhiger als Sissimiut, aber auch hier fiel mir auf, dass alle Häuser in schönen bunten Farben angemalt sind. Es ist zudem die Stadt der Eisberge und sobald man aufs Meer hinausblickt kann man diese in allen erdenklichen Größen sehen.
Südlich von Ilulissat, gleich hinter dem Stadtrand, befindet sich der Eisfjord. Es gibt einen Wanderweg entlang des Fjordes und man kann somit dem beeindruckenden Naturschauspiel des Kalben eines Gletschers sehr nahe kommen. Der Eisfjord entspringt dem Gletscher Sermeq Kujalleq, welches der schnellste Gletscher in der nördlichen Hemisphäre ist. Er bewegt sich mit 40 Metern am Tag und somit kann man gut beobachten, wie sich das Eis ständig verändert.
Viele Stunden habe ich am Fjord verbracht und den Bewegungen der Eismassen zugeschaut. Man erfährt hier eine tiefe Ruhe, welche man im hektischen Alltagsleben in Europa selten findet. Und trotzdem war auch immer eine prickelnde Spannung da, welches Stück Eis denn nun als nächstes abbrechen würde. Ich hätte noch viel länger an diesem Fjord sitzen und das Eis beobachten können, aber irgendwann ist auch der schönste Urlaub zu Ende. Es wird aber garantiert nicht mein letzter Urlaub in Grönland gewesen sein.