Im Westen taucht die Sonne den Himmel in feuriges Rot und dort wo das Flammeninferno die spiegelglatte Wasseroberfläche der See berührt, geben sich Feuer und Wasser einen tödlichen Kuss.

Es ist früher Abend als ich aus Vardø rausschleudere und gen Osten auf ein ewiges Feuer zugehe. An einem Ort namens Steilneset liegt die Gedenkstädte für die Hexenverbrennungen im 17. Jahrhundert. Eigentlich besteht sie aus zwei Gebäuden. Einem Pavillon aus Stahl und Rauchglasplatten, in dem ein symbolischer Scheiterhaufen brennt. Wie nach Hilfe emporgereckte Hände züngeln die Flammen aus einem stählernen Stuhl, sieben ovale Spiegel schauen wie Richter auf den Angeklagten herab. Viele Scheiterhaufen brannten in der Finnmark, denn die Angst vor Hexen war hier besonders groß, die Hexenverfolgung rigoros und das Urteil schnell gefällt. Insgesamt wurden 91 Personen der Hexerei für schuldig befunden und verbrannt, 77 Frauen und 14 Männer.

Das zweite Gebäude sieht wie ein überlanges Kajak aus, welches man in einem Trockengestell für Fische aufgehängt hat und steht direkt am Wasser. Und Wasser spielte damals eine wichtige Rolle um herauszufinden, ob jemand mit dem Teufel im Bunde stand oder nicht. Man war davon überzeugt, dass Wasser ein heiliges Element ist und alles Bösartige abstößt. Folglich wurden die Angeklagten einer Wasserprobe unterzogen. Sank derjenige, war er unschuldig, kam er wieder an die Oberfläche, war er schuldig. Selbstverständlich wurden dem Verdächtigen dabei Hände und Füsse gebunden, damit er nicht eventuell seine teuflischen Kräfte entfalten kann. Ein Drittel der in der Finnmark der Hexerei angeklagten Personen wurden dieser Probe unterzogen und seltsamerweise kamen alle – trotz der Fesseln – wieder an die Oberfläche.

Am Bug des Kajaks befindet sich eine Tür, welche in den Gedächtnisraum führt. Symbolisch für jeden Hingerichteten wurde ein Fenster eingebaut vor dem eine nackte Glühbirne brennt. Neben jedem Fenster steht der Name eines Hingerichteten sowie der Grund für seine Hinrichtung. Krankheiten, Unfälle, gesunkene Fischerboote wurden damals mit Hexerei in Verbindung gebracht. Und selbst wenn der Verdächtige anfangs leugnete, so brachte die Folter „die Wahrheit“ doch immer zu Tage. Unwillkürlich muss ich an das Foltermuseum in San Gimignano in der Toskana denken, welches ich vor vielen Jahren besuchte. Es war erschreckend zu sehen, wie viel Erfindungsreichtum Homo sapiens hat, nur um anderen Leid zuzuführen. Das Denkmal für die Hexen in Vardø ist ein 120 Meter langer Gang durch eines der düstersten Kapitel in der Menschheitsgeschichte.

Als ich am anderen Ende des Ganges durch eine weitere Tür wieder aus der Gedenkstätte hinaustrete, ist es inzwischen dunkel geworden. Ich atme tief durch und mache mich auf den Weg zurück in die Stadt. Diesmal kann ich ein anderes zartes Feuer im Wasser erkennen. Sanft tanzen die Nordlichter am Himmel.

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