Einen Meeresgott zu erzürnen hatte schon immer ernsthafte Folgen. Odysseus kann wahrlich ein Lied davon singen und auch in diesem Fall nahm die Geschichte kein gutes Ende.

Der Tatort liegt diesmal aber nicht mitten auf dem Meer, sondern mitten in der Stadt Berlin: Neptunbrunnen. Es ist ein heißer Spätfrühlingstag, fast dreißig Grad im Schatten. Neptun sitzt mit nacktem Oberkörper auf einer Muschelschale und lässt sich von seinen ihm untergebenen Meerestieren von allen Seiten Wasser zur Abkühlung auf seinen wohlgeformt-muskulösen Oberkörper spritzen.

Doch was erblickt Neptun da nicht am Rande seines Brunnens, als er sich etwas zur Seite dreht? Einen Mann mit nacktem Oberkörper, der zwar nicht annähernd so gut durchtrainiert aussieht wie der Meeresgott, dafür aber – als Gipfel der Unverschämtheit – ein Bier trinkt ohne auch nur einen Schluck davon dem Gott zu opfern. Jeder Matrose weiß, dass man dem Meeresgott hin und wieder einen gehörigen Schluck spendieren muss, um nicht seinen Zorn auf sich zu ziehen.

Neptun macht mobil. Schon kurze Zeit später rückt ein Einsatzwagen der Polizei heran, vier Polizisten springen aus dem Wagen, umkreisen den Übeltäter und nehmen ihn gründlich ins Verhör. Dass dieser nur die wärmenden Sonnenstrahlen bei einem kühlen Bier genießen wollte, wird nicht akzeptiert. Einem Meeresgott zeigt man sich nicht nackt, schon gar nicht ohne den Alkohol mit ihm zu teilen. Abführen.

Aber selbst nachdem der Frechling abgeführt ist, schaut Neptun noch immer grimmig drein und denkt sich: „Ich hätte ihn erschießen lassen sollen! Genauso, wie ich das mit dem Schizophrenen habe mach lassen, der hier vor fünf Jahren nackt mit einem Messer in der Hand in meinem Brunnen rumgeplanscht ist.“

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